Der besetzte Stuhl

Was ist, wenn sich unser Gegenüber entwickeln soll und wir diese Rolle vollumfänglich ausfüllen? Kennst Du deine Rollen, die du besetzt?

Vielleicht kennst Du noch das folgende Stuhlkreis-Spiel. Es wird eine Stuhlreihe aufgestellt, auf der alle Mitspielenden sich setzen. Sobald die Musik angeschaltet wird laufen alle um diese Stuhlreihe herum. In dem Moment, in dem die Musik aufhört, sollen sich alle einen Stuhl suchen und hinsetzten. Da mit jedem Musikstop ein Stuhl entfernt wird, bleibt immer Jemand übrig und darf in der nächsten Runde nicht mehr teilnehmen. Am Schluss bleibt die Person, welcher den letzten Stuhl ergattert übrig und gewinnt dieses Spiel.

Wie im Leben gibt es hier eine*n glückliche*n Gewinner*in, doch auch viele die vergebens versucht haben einen Stuhl zu ergattern. Einen Stuhl zu ergattern ist schwierig, wenn bereits jemand diesen besetzt, darauf sitzt und den Stuhl für sich reserviert.

Wo ist dann meine Sitzfläche?
Wo kann ich den identischen Sitzplatz finden?

Manchmal erzählt mir jemand von seinem*er Partner*in und beschwert sich, dass diese*r bestimmte Dinge einfach nicht macht. Es wird geklagt oder geschimpft, doch was ist, wenn der*die Erzähler*in selbst diesen Stuhl besetzt, selbst genau diesen Punkt der Beschwerde erfüllt. Was ist, wenn es für den Anderen keine freie Sitzfläche mehr gibt, um sich dort hinzusetzen und einzufühlen.

Leicht vorstellbar ist dieses Muster im Berufsleben. Wenn ich eine Führungskraft habe, die bereits kurz vor der Rente steht, werde ich mich mehr einbringen und anstrengen, um die Nachfolge zu bekommen, wie bei einer jungen Führungskraft, welche wahrscheinlich noch die nächsten Jahre diesen Arbeitsplatz (Stuhl) besetzt. Für mich ist es leicht erkennbar, dass diese Stelle nicht so schnell vakant wird, auch wenn ich mich sehr dafür einsetze. Dieses ändert sich erst, wenn die Führungskraft gerne auf der Karriereleiter hinaufsteigen will. Vielleicht wird der Stuhl doch bald wieder leer?

Dieses Prinzip ist im Privatleben, der Partnerschaft, der Familie und dem Berufsleben identisch. Wie oben auf dem Bild, wenn eine Person ganz in den Vordergrund und die Sichtbarkeit tritt, so ist dieser Platz bereits besetzt und die anderen Personen suchen sich ihren Platz, ihre Entfaltungsmöglichkeit, allerdings an anderer Stelle (auf dem Bild ein wenig verdeckt).

Wenn ich eine*n Partner*in fürs Leben suche, und mir die Eigenschaften Durchsetzungskraft, Mut, Klarheit wünsche und ich selber diese Eigenschaften inne habe, so ist dieser Stuhl bereits in der Beziehung besetzt und mein*e Partner*in kann nur eine Abwandlung hiervon, andere oder die direkt gegenteilige Eigenschaften ausfüllen.

Noch ein Beispiel: Wenn ich Kinder haben möchte, welche kraftvoll, durchsetzungsstark und mutig in die Welt gehen, ich jedoch immer den Ton angeben, sage wo es hingeht, alle Abenteuer durchziehe und ein kraftvolles Auftreten habe, so ist es für die Kinder in diesem Moment schwierig ebenso zu sein. Ich besetze dann den Stuhl und gebe ihnen durch meine Stärke und das Durchsetzen meiner Meinung nicht die Möglichkeit ebenfalls so zu sein. Dieses kann sich ändern, wenn die Kinder erwachsen sind und ebenfalls in die Rolle von Eltern kommen. Hier ist es möglich die erlernte Rolle der Eltern zu übernehmen und zu leben. Diese Rolle habe ich ihnen so gezeigt und ist dementsprechend auszufüllen. 

Der Stuhl ist für mein Gegenüber besetzt , wenn ich darauf sitze. Möchte ich zum Beispiel als Führungskraft, dass meine Mitarbeiter Entscheidungs- und Durchsetzungsstark sind oder werden, so geht dieses nur, wenn ich diesen Stuhl freimache, vielleicht auch nur zeitweise. Ich gebe den Mitarbeitern den Freiraum ihren passenden Stuhl, ihre Rolle zu finden und begleite sie in ihrer Entwicklung. So haben sie die Möglichkeit sich zu erfahren und die Kompetenzen der Rolle zu erlernen. Sie werden die Rolle nicht identisch ausfüllen, doch sie lernen so zu denken, ihre Art zu entwickeln auf dem Stuhl zu sitzen.

Manchmal bietet es sich an meinen Stuhl genau zu betrachten, um zu erkennen, was ich bereits belege und wo ich ein wenig zur Seite rücken sollte, um meinem Gegenüber den Raum zu ermöglichen sich zu entwickeln.

Vielleicht kennst Du auch so ein Beispiel. In einer Partnerschaft gibt es eine Person A die nie viel erzählt, am Telefon reichte sie den Hörer sofort an die andere Person weiter und sagt nur „Ich gebe dich mal weiter“.  Auch in Gesprächen erzählt sie nicht viel. Die andere Person B hat hier den Stuhl des Erzählers, und dieses Stundenlang. Nachdem die Person B irgendwann verstarb wundern sich alle was mit Person A los ist, sie kann sprechen und das sehr lange. Es ist schön dieses zu erleben, wenn auch erst gewöhnungsbedürftig, da sich die Person A, die alle vorher als still wahrnahmen mit dem frei gewordenen Platz veränderte.

Wenn dir mal der Gedanke kommen sollte, „Warum kann er*sie nicht einfach …?“, frage dich ruhig ob du vielleicht genau auf diesem Stuhl sitzt. Was passiert wohl, wenn Du aufstehst und genau diesen Stuhl deinem Gegenüber anbietest. Probiere es mal aus und schaue was dann passiert.

Wenn Du möchtest, so kannst du mit den folgenden Impulsfragen einen kleinen Schritt auf dich zumachen. Lasse Dir bei der Beantwortung Zeit und spüre, ohne zu werten in dich hinein.

Welchen Stuhl, welche Rolle möchte ich gerne besetzen? Ist diese Rolle noch frei?
Welchen Stuhl sollte mein Gegenüber einnehmen, wenn es nach mir ginge?

Welches sind meine Rollen, die ich besetze?

Ich wünsche Dir eine erkenntnisreiche Zeit, Zeit, in der du deine Stühle und Rollen, auf denen du sitzt betrachtest, Zeit, in der du voller Neugierde nach neuen und interessanten Stühlen der Entwicklung für dich suchst, Zeit, in der du die richtigen Stühle für dich findest und diese voller Freude ausfüllst.
Du darfst deine Lieblingsstühle finden, suche dir den richtigen Platz dafür.

Sabine Werner

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