Kennst Du das auch? Du stehst morgens auf und der Tag verläuft wie im Traum. Du hast deine Routinen, die ohne Beachtung und automatisiert ablaufen. Aufstehen, Zähne putzen, waschen, frühstücken, anziehen, arbeiten, Mittagessen, Abendessen, Abendprogramm, ausziehen, Zähne putzen, schlafen – Tag vorbei. Vielleicht hältst du auch mal inne und fragst Dich: „Habe ich heute überhaupt …?“ . Es fällt dir schwer dich daran zu erinnern, ob du auch den für dich gerade relevanten Teil in der Routine des Tages erledigt hast.
Irgendwann kommt der Moment, in dem du vielleicht denkst „In den Geschäften gibt es schon Weihnachtskekse, bald ist das Jahr um. Wo ist das Jahr geblieben?“
Ich erinnere mich immer an meine Oma, welche jedes Jahr aufs Neue sagte: „Kinder, wo ist bloß die Zeit geblieben?“. Eine sehr wichtige und berechtigte Frage.
Jeder einzelne Tag und jedes Jahr haben ihre immer wiederkehrende Länge, doch wo ist sie hin?
Haben wir wie Dornröschen geschlafen und geträumt?
Zur Antwort unterteile ich die Zeit in drei Abschnitte, Vergangenheit, Zukunft und die Gegenwart / das Jetzt.
Vergangenheit – Eingeschlafen
Im Tagesablauf werden wir unendliche Male von unseren Erfahrungen, Empfindungen und Erlebnissen der Vergangenheit gesteuert. Diese machen uns schnell, in Form von erlernten und automatisierten Abläufen. Es ist für uns wichtig in kritischen und gefährlichen Situationen intuitiv und schnell zu handeln. Wir können uns ebenfalls an Ereignisse erinnern. Die Erinnerungen lassen uns, wie in einer Zeitreise, an schöne oder weniger schöne Orte unserer Vergangenheit reisen, getragen von unseren Emotionen. Während die negativen Erfahrungen uns zur Vorsicht und Achtsamkeit anregen, führen uns die positiven Erfahrungen in die Freude und vielleicht auch in die Dankbarkeit. Beide Seiten sind möglich. Wir können steuern ob wir uns an kraftvolle oder energieziehende Momente erinnern wollen.
Zukunft – Der Traum
Die Zukunft liegt vor uns und ist momentan nicht einsehbar. Wir versuchen mit erkennbaren Mustern und Erfahrungen der Vergangenheit bereits die Zukunft in unseren Gedanken entstehen zu lassen. Was passiert, wenn …? Je nach unseren Erfahrungen der Vergangenheit kreieren wir Bilder einer glücklichen und freudvollen oder einer eher negativen und angstbesetzten Zukunft. Die Emotionen aus dem vergangenen Erleben steuern unsere Kreationen der Zukunft. Es entsteht ein rosiges oder eher düsteres Bild.
Vergangenheit und Zukunft sind nicht real. Sie finden in unseren Gedanken statt und lassen uns Emotionen empfinden, welche unseren Körper beeinflussen. Hormone und Neurotransmitter werden ausgeschüttet und steuern so unsere körperliche Erlebniswelt.
Jetzt – Der Kuss
Einzig real ist das JETZT. Es ist ein flüchtiger Moment, gerade da und schon wieder vergangen. Dieses JETZT ist der Moment in dem wir Leben, der Moment, in dem wir sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen. Nur dieser kurze Moment existiert real und ist wie ein bewusster Licht-Punkt den wir kurz im Dunkel wahrnehmen. Kaum nehmen wir diesen Moment wahr, ist er schon weiter gewandert und bereichert unsere Vergangenheit. Auf dem Zeitstrahl rückt ein noch nicht gelebter Moment der Zukunft in unser Jetzt vor und erhält die Möglichkeit uns mit aktuellen Erfahrungen zu bereichern. Genau dieser flüchtige Moment ist es, in dem wir unsere Zukunft erfahrbar mache.
Während unseres Dornröschenschlafs durchlaufen wir eingeübte und dann automatisierte Prozesse sowie Verhaltensweisen unserer Vergangenheit. In den Träumen der Zukunft steuern unsere Erfahrungen und Erlebnisse der Vergangenheit die Bilder in unserem Kopf.
Dornröschen schläft!
Vor einiger Zeit erhielt ich die Aufgabe bewusst eine Tür aufzuschließen. Diese so oft durchgeführte und beiläufige Tätigkeit wird von uns kaum noch bewusst wahrgenommen. Ich schreibe ihr nur ein paar Punkte auf, welche wir bewusst wahrnehmen können, der komplette Ablauf würde sicherlich mehrere Seite füllen.
Wir benötigen einen Schlüssel und sehen ihn, wir greifen danach, unsere Finger umschließen den Schlüssel, er fühlt sich kühl und glatt an, wir heben ihn mit unseren Fingern an. Wir verändern den Handgriff, um den Schlüssel passend zu packen. Der Arm bewegt sich Richtung Schloss, wir schieben den Schlüssel in das Schlüsselloch, ein schabendes Geräusch entsteht, wir lenken unsere Hand mit dem Schlüssel in eine Drehung, ein anderes Geräusch entsteht, die Tür macht ein Geräusch und bewegt sich einen Spalt. Wir öffnen die Tür sanft und schieben sie mit unserer Hand auf, dabei spüren wir den Druck des Schlüssels an unseren Fingern, ein leichter Windhauch berührt uns, …
All dieses, und noch viel mehr geschieht in diesem einen Moment des JETZT, wenn wir ihn bewusst wahrnehmen. Wann hast Du das letzte Mal bewusst eine Tür geöffnet?
Wenn du einmal sehr im Stress bist oder dich negative Emotionen begleiten, so kannst du dich auf das Jetzt konzentrieren. Was nimmst Du genau in diesem Moment wahr. Eine Möglichkeit der Beobachtung hierfür ist deine Atem. Wo spürst du beim Ein- und Ausatmen den Luftzug? Wo dehnt sich dein Körper aus oder wo zieht er sich zusammen?
Komme bewusst ins jetzt und lasse dich wachküssen, nehme wahr und spüre im JETZT.
Wenn Du möchtest, so kannst du mit den folgenden Impulsfragen einen kleinen Schritt auf dich zumachen. Lasse Dir bei der Beantwortung Zeit und spüre, ohne zu werten in dich hinein.
Wann befinde ich mich gedanklich in der Vergangenheit oder der Zukunft?
Wann steuern mich Emotionen aus der Vergangenheit im JETZT?
Wie oft lebe ich im JETZT?
Lebe ich jetzt im Bewusst-sein?
Ich wünsche Dir eine erkenntnisreiche Zeit, Zeit, in der du dich und dein Umfeld wahrnimmst, Zeit, in der du die Momente im Jetzt vermehrst und die Zeit bewusst wahrnimmst, Zeit, in der du die Zeit spürst. Du darfst bewusst sein.